60. Berlinale geht zu Ende

Die meisten Journalisten haben das Festival schon verlassen und auch von den FilmemacherInnen lassen sich nur noch wenige bei den Vorführungen blicken. Die ersten Preise für die Berlinale Shorts sind schon vergeben. Es ist nun auch einfach möglich, vor den Vorstellungen noch Karten zu erhalten. Und dieser Blog ist hoffnungslos im Rückstand, was die Rezension der gesehen Filme betrifft.

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Herausragende Filme aus 40 Jahren Forum

Unter der Fülle der diesjährigen Filme finden sich gerade aus aktuellen Produktionen viele, die vom Autor zwar gesehen, wegen ihres erschreckend niedrigen Niveaus aber nicht rezensiert werden. Besonders spürbar wird dies, wenn wir dazu im Vergleich die Filme der Retrospektive sehen. Sozusagen das Beste aus 60 Jahren Berliner Filmfestival.

Noch augenfälliger wird das Ganze, wenn wir uns die Rückschau des Internationalen Forums des Jungen Films ansehen. Immerhin auf 40 Jahre engagiertes Programm wird hier zurückgeblickt. Aus diesem Anlass haben Filmemacher des Forums aus dem Archiv ihre Hitliste zusammengestellt. Um den künstlerisch und politischen unabhängigen Film aus allen Teilen der Welt ging es dort und die wieder gezeigten Filme sind von erfrischenden Lebendigkeit, eindrücklicher und eindringlicher Wucht sowie künstlerischer Vielfalt in Konzeption und Realisation.

"So Is This" von Michael Snow

So Is This | © www.berlinale.de

Ein Experimentalfilm wie „So Is This“ von Michael Snow aus dem Jahr 1982 funktioniert noch immer. Es wird eine Geschichte buchstäblich oder besser wort-wörtlich erzählt. Auf der Leinwand ist immer nur ein Wort eines Textes zu sehen. Dauer, Größe und Farbe der Einblendungen bestimmen die Dramaturgie der Erzählung. Die Vorführung wird zu einem gemeinschaftlichen Leseerlebnis, der Film spielt sich dabei im Kopf ab. Erfolgreich, es gibt „Ahs“ und „Ohhs“ sowie viel Gelächter unter den Zuschauern.

Sehr schön war auch das Wiedersehen von „Kasaba“ von Nuri Bilge Ceylan. Eine Familie in einer türkische Kleinstadt wird darin in ruhigen Schwarzweiß-Bildern porträtiert. Ausgewählt hatte diesen Film der Regisseur Jia Zhangke, der mit diesem Film auf der Berlinale 1998 entdeckte, dass die Bildsprache eine internationale ist und er die Darstellung von Gefühl und Atmosphäre sofort verstanden hat, auch ohne die gesprochene Sprache zu verstehen.

Mich und meine Kinogruppe hat vor allem die Bill-Douglas-Trilogie (übrigens alle drei in UK für ca. 8 Pfund auf DVD erhältlich) beeindruckt. Laiendarsteller aus einem schottischen Bergarbeiterdorf spielen die Kindheits- und Jugendgeschichte des Regisseurs. Hier wird spürbar, dass Armut nicht nur einen Mangel essentiellen Gütern bedeutet sondern prekarisierte Menschen auch mit emotionaler Kälte auf ihre feindliche Umwelt reagieren. So lange sind diese Zeiten bitterer Armut nicht vergangen und wer weiß schon, wohin die Regression des Kapitalimus noch führen wird. Die trostlose Ausweglosigkeit wird von präzisen Einstellungen und Schnitten geradezu chirurgisch eingefangen. Für den Erhalt einer stabilen Psyche empfiehlt sich, alle drei Teile zu sehen, denn die Erlösung aus der Depression kommt erst am Ende des dritten Teils.

Daniel Schmid - Le Chat qui pense | © www.berlinale.de

Ein sehr schöner Dokumentarfilm ist „Daniel Schmid – Le Chat qui pense“. Schmid einer der bekanntesten international arbeitenden schweizer Filmemacher steht im Zentrum dieses Films. Das Universum der Filmkunst Schmids hier zu umreißen, ist die Zeit zu knapp. Lange Jahre der intensiven Arbeit mit Fassbinder und der Caven. Die ist auch bei der Premiere anwesend und sichtlich ergriffen. Sie spricht davon, wie wenig wagemutig und risikobewußt zeitgenössische Filmemacher sind. Sie haben damals ohne Geld und Unterstützung Filme gemacht. Um dies zu erreichen hätten Sie Monster sein müssen.

Ingrid Carven bei der Premiere des Dokumentarfilms "Daniel Schmid - Le chat qui pense"

Ingrid Caven ist ergriffen

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Sharon Lockhart und die Gezeiten

Die Muschelsammlerin in der Frühe und am Abend: Double Tide

"Double Tide" von Sharon Lockhart

Notorisch ist wie immer die Flut der Bilder und der Zwang, dieser im Blog Herr zu werden. Aus der Fülle der Filme wieder nur ein ganz kurzer Hinweis. „Double Tide“ hieß das 90 Minuten Feature der Filmkünstlerin Sharon Lockhart. Eigentümlicherweise ist im Katalog der Filmausschnitt spiegelverkehrt abgebildet oder an einem anderen Ort fotografiert. Im letzten Jahr noch mit einer zeitlich extrem gedehnten Version einer Frühstückspause auf einer Schiffswerft in Maine vertreten, ging es diesem Werk wieder um schwere körperliche Arbeit jedoch inmitten der Natur.

Gezeigt wird eine Einstellung mit zwei 45 Minuten langen Takes: einmal in der Morgendämmerung und einmal in der Abenddämmerung.  Jedesmal ist gerade Ebbe und das Meer zieht sich aus der kleine Bucht zurück. Eine Frau zieht mit einem flachen Boot über die schlammige Bucht. Die im Schlick versinkenden Gummistuplen machen fette saugende und schmatzende Geräusche. Die Frau hat einen Korb neben sich und greift mit einer Hand tief in den Schlamm, um Muscheln herauszuziehen. Die Kamera ist fixiert, es gibt keine Zooms oder Verfolgungen.

Das Licht änder sich beständig, gibt mal Bäume in der Bucht frei, wenn sich der Nebel am Morgen verzieht oder wandelt sich in Abendrot. Die Muschelsammlerin verrichtet dabei ihr Werk ohne Unterbrechung. Das es sich dabei um Schwerstarbeit handelt, erzählt nach dem Film Jen Cassad eine durchtrainierte Künstlerkollegin der Regisseurin Sheron Lockhart.

Es ist diesmal eine sehr ruhige meditatives Szenario, welches manchen Kinogast flugs in den Schlaf führt oder aus dem Saal treibt. Ob sich der von Lockhart beabsichtigte Effekt, körperliche Arbeit spürbar zu machen, tatsächlich in erhoffter Weise umsetzt, ist aber doch fraglich. Die kleine Figur, die sich wie eine Spinne im Morast über die Leinwand bewegt ruft in mir Assoziationen zu PacMan hervor. Der tiefe Schlamm vermittelt allerdings ein Gefühl für die Anstrengungen, die solche Bewegung hervorruft.

Für den Einstieg sei nochmal das ausgezeichnete Werk Lunch Break empfohlen. Bedauerlich ist auch der Qualitätsverlust, der durch die Digitalisierung des 35mm Filmmaterials eintritt.

Jen Cassad & Sheron Lockhart

Jen Cassad & Sheron Lockhart

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Howl und die Bill Douglas Trilogie

Es ist immer ein wenig schade, wenn man zwei sehenswerte Features auf dem Programm hat und das eine den Eindruck des anderen verdrängt. So geschehen mit Howl, der von Bill Douglas verdrängt wurde.  (morgen mehr davon)

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Berlinale Start

Reaktionsschema nach Baehr/Spengler

Isabell Spengler, Antonia BaehrHeute war mein Berlinale-Start.  Und zwar nicht mit einem Film sondern einer Lesung zweier Künstlerinnen: der Filmemacherin Isabell Spengler und der Performance Künstlerin Antonia Baehr. Beide seit Kindheit befreundet stellen in einer multimedialen Lesung die Konzepte ihrer Arbeit vor, als Versuch die vielgestaltige Wand zwischen Zuschauer und Installation, Performerin oder filmischer Projektionsfläche bewußt zu machen und spielerisch damit umzugehen. Überzeugend waren die präsentierten Filmausschnitte und Performance. So spannend und witzig das Werk, so ermüdend leider die Vorträge der beiden Frauen.

Und wie das Leben so spielt: Da stehten wir an der Vorverkaufskasse und ein netter Mensch, den wir im Verdacht hatten, sich vordrängeln zu wollen, schenkt mir eine Karte für einen Wettbewerbsfilm. So kam ich zu „Tuan Yuan“ einem chinesischen Liebes- und Familiendrama. Ein mit den Nationalchinesen flüchtender Soldat lässt seine schwangere Freundin in Shanghai zurück.

Tuan Yuan - Apart TogetherErst 50 Jahre später dürfen die nationalchinesischen Soldaten in ihre alte Heimat China und in ihre Städte zurückkehren. Ein betagter Soldat in Rente kehrt also nach Shanghai zurück. Seine ehemalige Geliebte lebt seit Jahrzehnten mit einem anderen Mann zusammen, der sie die Jahre über rührend unterstützt hat. Auch mit ihm hat sie Kinder.

Das Drama gipfelt in der Frage, ob sie mit ihrer alten Liebe nach Taiwan ziehen soll und damit ihren bisherigen Lebenspartner und all ihren Kindern den Rücken kehren wird. Und wenn es dem Chinesen so recht ins Herz fährt, dann spricht er nicht mehr sondern fängt an zu singen.

Das Ende ist zu erahnen aber doch nicht vorhersehbar und eine Person erfährt eine erstaunliche charakterliche Wandlung. Der letzte Handlungsort der Familiengeschichte ist die neue Eigentumswohnung in einem Hochhaus. Schick und modern eingerichtet, aber die alten Freunde kommen nicht zum Geburtstag zu besuch. Ihnen ist der Weg aus ihrem Viertel zu weit.

Morgen um 9.30 Uhr steht dann „Howl“ auf dem Programm. Ein Film über das gleichnamige Gedicht von Allen Ginsberg, der es 1955 veröffentlichte und dem wenig später ein Zensurversucht und Skandal folgte, wegen dieser Zeile:

who let themselves be fucked in the ass by saintly motorcyclists, and screamed with joy
(deutsch: die sich in den Arsch ficken ließen von heiligen Motorradfahrern und vor Freude schrien)
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Festival des gescheiterten Films

Amateure

Wem der traditionelle Weihnachtsrummel auf die Nerven geht, aber gern die stille Zeit zum ungestörten Genuss abseitiger kultureller Vergnügungen nutzen möchte, dem sei das Festival des gescheiterten Films wärmstens empfohlen. Schließlich ist das Scheitern als solches, eine viel zu wenig beachtete gesellschaftliche Kategorie, die in ihrer ganz kulturellen Dimension bei weitem noch nicht ausgelotet ist. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die vorbildliche Berliner Ausstellung „Dada Dandy – Scheitern Zweitausend&Sieben“ in Berlin erinnern, bei deren Eröffnung ich am 17.06.2009 miterleben durfte. Dieses Festival schickt sich nun an, wenigstens eine der vielen schmerzlichen Lücken innerhalb des Sujets zu füllen.

Wegweisend erscheinen schon die Kriterien für die eingereichten Filme:

  1. Der ProduzentIn/RegisseurIn muss das Ziel gehabt haben, eine hochwertige Arbeit zu schaffen!
  2. Das Werk sollte
    a) abgelehnt worden sein (zum Beispiel von Fernsehsendern)oder sonst wie bei der Vermarktung gescheitert sein, oder
    b) inhaltlich das Scheitern zum Thema haben: in Beziehungen, gesellschaftlich, sozial, individuell, …
  3. Der ProduzentIn/RegisseurIn sollte eine plausible Erklärung für das Scheitern seines Werkes abgeben können

Ausgezeichnet wird denn auch nicht der schlechteste oder beste Produktion, sondern der Film, der die größte Bandbreite an Zuschauerbewertungen erhalten hat. Dynamik ist gefragt.

AMATEURE: Hundstage in Wuppertal. Dieses Panoptikum gescheiterter Existenzen, zwischen Traum und Realität, zwischen verhakten Bowlingmännchen und nächtlichen Exkursionen eines postbiederen Paares zeigt den wahren Wahn unserer Gesellschaft und streift geschickt die Filmgeschichte. Da wären Milos Foremans „Feuerwehrball“ als gescheiterte Hochzeitsfeier oder Charles Bronsons „Ein Mann sieht rot“ in Faschingskleidern von Supermann und Superfrau. Eine herrliche Posse. [quelle: www.der-gescheiterte-film.com]

Sternenkreuzer_Abartica600

Die nicht-jugendfreie Super-8-Stopptrickanimation "Sternkreuzer Abartica" läuft ebenfalls am 27.12. um 20:30 im Rahmen des Kurzfilmpotpurris "Filmen als Passion"

Also an den Feiertagen das Blödsehen abschalten und mit den Liebsten ab ins Kino!

Festival des gescheiterten Films
24.12.-31.12.2009

Maxim-Kino
Landshuter Allee 33, 80635 München
U-Bahn Rotkreuzplatz / Bus 33: Schlörstraße / S-Bahn o.Tram17: Donnersberger Brücke

www.der-gescheiterte-film.com

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Benefiz Truthahn im Café Regenbogen zu verspeisen

Das Café Regenbogen der Münchner Aidshilfe e.V. lädt auch in diesem Jahr wieder zum traditionellen Thanksgiving Essen.

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Ein Punkt für Homosexuelle

Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Berliner Tiergarten

Zugegeben, viel ist es nicht, was da bei den Koalitionsgesprächen von CDU/CSU und FDP herausgekommen ist. Keine Adoptionsrecht und auch keine steuerliche Gleichbehandlung für Lebenspartnerschaften. Dafür wird eine Stiftung geschaffen:

Wir werden den Beschluss des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2000 umsetzen und im Sinne eines kollektiven Ausgleichs für homosexuelle NS-Opfer eine Magnus-Hirschfeld-Stiftung errichten. Sie soll durch interdisziplinäre Forschung und Bildung der Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen entgegenwirken.

Gratulation, wenn sich das nicht gelohnt hat!

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UNDERDOX 04 – Filmfestival

Wenn das Fernsehen die Ganglien verklebt hat hilft nur eins: das UNDERDOX Filmfestival. Vom 1. – 7. Oktober gibt es außergewöhnliche Filme zwischen Dokument und Experiment.

35 internationale Produktionen, davon zehn in deutscher Erstaufführung im Münchner Filmmuseum und Werkstattkino.

Weitere Spielorte sind die Galerie Weltraum mit dem Film for exhibition CRUDE OIL des radikalen chinesischen Dokumentarfilmers Wang Bing und das i-camp / Neues Theater München mit der Aufführung von WONDERLAND, einem Cinéconcert von Nico Humbert, Martin Otter und dem französischen Jazz-Improvisations-Trio DAS KAPITAL.

Wir haben mit Wang Bing und Jean-Claude Rousseau, einem hierzulande noch zu entdeckenden französischen Regisseur, zwei Filmmaker in focus.

Einen Schwerpunkt bilden Filme aus Asien. Wir zeigen Arbeiten aus China, Malaysien, Korea, den Philippinen und Japan, darunter SPYDER von Ishibashi Kiyomi, der komplett mit einem Handy gedreht wurde – in überzeugender Qualität!

Ein anderer Schwerpunkt sind Filme, die den ländlichen Raum beschreiten. Bilderstark und packend ist der dokumentarische Spielfilm BETTER THINGS des Porträtfotografen Duane Hopkins, mit starken Protagonisten wie in einem Spielfilm zeigt sich der Dokumentarfilm L’APPRENTI von Samuel Collardey, beides Filme über das Leben der Jugend auf dem Land.

Unser Eröffnungsfilm ist DOUBLE TAKE des belgischen Videokünstlers Johan Grimonprez, dessen Hitchcock-Installation „Looking for Alfred“ vor zwei Jahren in der Pinakothek der Moderne zu sehen war. In DOUBLE TAKE verweben sich Kalter Krieg, War of Terror und die moderne Konsumgesellschaften mit dem Motiv des Doppelgängers, ausgehend von Alfred Hitchcock, zu einem eindrucksvollen Filmessay.   Eröffnung feiern wir am 1. Oktober in der Galerie Weltraum (Rumfordstr. 26) ab 22 Uhr!

Das ausführliche Programm finden Sie unter www.underdox-festival.de.

(Text: Dunja Bialas & Bernd Brehmer, Die UNDERDOX-Festivalleiter)

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Lesung und Talk mit Wladimir Kaminer

„Freiheizhalle“
Rainer-Werner-Fassbinder-Platz 1, 80636 München (S-Bahn Donnersberger Brücke)

Kandidatentalk, Lesung, Russendisko.

Veranstaltung mit Wladimir Kaminer und den Kandidatinnen der Linken Bayern Eva Bulling-Schröter und Nicole Fritsche.

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