Ansprache zur Gedenkfeier CSD München 2009

Der Münchner CSD 2009 hat am Tag der Parade auch eine Gedenkfeier abgehalten. Gedacht wurde der an den Folgen von Aids verstorbenen Freundinnen und Freunden.

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Es gilt das gesprochene Wort

„Liebe Freundinnen und Freunde,

in diesem Jahr haben wir gleich zwei Jubiläen zu begehen: 25 Jahre Aids-Hilfe und 40 Jahre Stonewall Aufstand. Das Motto unseres diesjährigen CSDs lautet gleichzeitig „Lust auf Leben“ und nun wollen wir an dieser Stelle unserer Verstorbenen gedenken. Der an den Folgen von Aids Verstorbenen. Wie passt das alles zusammen?

Im letzten Jahr haben wir erstmals an dieser Stelle eine Gedenkaktion durchgeführt. Gedacht haben wir jener, die für ihre Art zu Lieben und zu Leben im Nationalsozialistischen Staat verfolgt wurden. Wenn wir auch in diesem Jahr einen Moment einhalten, um uns unserer Verstorbenen zu erinnern, dann folgen wir einer guten Tradition.

Auch in den Gründungsjahren der Aids-Hilfe, als wir vorwiegend damit beschäftigt waren, uns um Kranke und Sterbende zu kümmern, wollten wir auf „Lust am Leben“ nicht verzichten, ging es darum trotz Krankheit Spaß zu haben und am Sterben nicht zu verzweifeln. Wie anders hätten wir fordern können, sich den Spaß am Sex nicht nehmen zu lassen und dass lustvoller Safer Sex der Enthaltsamkeit vorzuziehen ist? Wie anders hätten wir glaubwürdig Prävention betreiben können?

Doch wie war es möglich, sich der von Angst getriebenen Welle aus Stigmatisierung und Diskriminierung im Zug von Aids entgegenzustellen? Ich erinnere nur an den bayerischen Maßnahmenkatalog, der Zwangstests, Berufsverbot, Quarantäne und Internierung von sogenannten „Uneinsichtigen“ vorsah.

Der ebenso entschlossene wie trotzige Widerstand den Infizierte und Erkrankte, Freunde und Freundinnen und auch die Verwandten aufgebracht haben, wäre ohne den Aufstand im Stonewall Inn 15 Jahre zuvor nicht denkbar gewesen. Es ist ein Weg, der von der Gay Liberation Front zu Act Up führt!

Wenn wir unserer Verstorbenen gedenken, dann ist das auch die Erinnerung daran, dass wir nichts von den heute selbstverständlich erscheinenden Rechten und Freiheiten geschenkt bekommen haben. Nein, alles musste zuerst erkämpft werden und wir sind in der Pflicht darauf zu achten, dass uns unsere Rechte und Freiheiten nicht wieder genommen werden.

Die medizinischen Errungenschaften, die HIV und Aids heute – zumindest in den Industrieländern – weitgehend den Schrecken genommen haben, mussten auch erkämpft werden. So gedenken wir heute der an Aids Verstorbenen Aktivisten, die auf der Straße gegen die Diskriminierung gekämpft haben und dafür dass Mittel zur Erforschung und Bekämpfung von Aids zur Verfügung gestellt werden. Wir haben dafür gekämpft in Würde zu leben aber auch in Würde zu sterben.

Da war der Freund, der uns in seinen letzten Tagen selbst noch Mut zugesprochen hat, der uns trösten wollte in unserer Trauer und in unserem Schmerz angesichts seines Todes. Da war die Freundin um deren Infektion ich wusste, aber die selbst nie Wort darüber verloren hat. Sie verstarb, als sie das erste Mal stationär behandelt wurde innerhalb einer kurzen Woche.

Und lasst uns liebevoll jener gedenken, die bis zu Letzt von der Angst vor dem Tod beherrscht wurden, die nicht loslassen konnten und deren Sterben ein verzweifelter Kampf war.

Sie alle haben ihren festen Platz in unserem Herzen und es ist unsere Aufgabe, dafür zu Sorgen, dass ihr Leid und ihr Sterben ebenso wenig in Vergessenheit gerät, wie die Freude und die Lebenslust, die wir mit ihnen erleben und die wir teilen durften.

Die 500 Luftballons, die wir heute aufsteigen lassen, reichen nicht aus, für die Zahl der Verstorbenen. So steht jeder Ballon für mindestens zwei von ihnen. 1200 Menschen sind in München bisher an Aids verstorben und auch im letzten Jahr durfte die Münchner Aidshilfe sieben von ihnen in den Tod begleiten.

Liebe Freundinnen und Freunde, während Johnny Tune für uns das Lied „Tears in Heaven“ singt, bitte ich Euch die Luftballons steigen zu lassen. Und während wir in Gedanken bei unseren Verstorbenen Freundinnen und Freunden sind, wissen wir, dass der Himmel nicht nur voller Tränen sondern auch voll von Glocken hängen kann, den Glocken des Glücks.“

Alle Reden des CSD München 2009 als Audiodateien zum Nachhören bei uferlos auf Radio Lora 92,4 MHz.

Herzlichen Dank an Erwin Harbeck für seine tollen Fotos.

Foto: Erwin Harbeck

Luftballon Gedenkaktion für die an Aids Verstorbenen.

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